Finger Weg von unserem Trinkwasser!
Pressemitteilung, Kamp-Lintfort, den 26.8.2020
Im Landesentwicklungsplan wurden die Vorsorgezeiträume für Sand und Kies verlängert. Demzufolge müssen die Planungsbehörden mehr Flächen für den Kiesabbau ausweisen. Jede Abgrabungsfläche birgt grundsätzlich Risiken für die lokale Trinkwasserversorgung. Kann eine Gemeinde oder ein Unternehmen nicht mehr aus den vorhandenen, bisherigen Quellen ausreichend versorgt werden, greifen sie auf ein Rückfallnetz, den Wasserverbund Niederrhein zurück. Dieser erhält sein Wasser aus Wasserschutzgebieten am Rhein. Doch jetzt soll aufgrund Koalitionsvereinbarungen auch noch das Landeswassergesetz NRW gelockert werden. Das bisher geltende Verbot von Abgrabungen in Wasserschutzgebieten III soll aufgehoben werden. Darüber verhandelten die Abgeordneten heute in einer ersten Lesung im Landtag.
Welche Konsequenzen das für die Bürger haben kann, darüber haben sich Mitglieder und Vertreter des Aktionsbündnis Niederrheinappell e.V. am vergangenen Mittwoch beim Wasserverbund Niederrhein GmbH informiert.
Aufgabe der Wasserverbund Niederrhein GmbH (WVN) ist die Beschaffung, Gewinnung, Aufbereitung, Fortleitung und Lieferung von Wasser, schlichtweg die Versorgung mit Wasser wenn dies aus qualitativen oder quantitativen Gründen erforderlich ist. Dazu ist ein überregionales Verbundnetz entstanden, dass im Großraum Niederrhein seit 1980/1983 tätig ist und diese Versorgungs-Anforderung gewährleistet.
Das derzeit ca. 70 Km umfassende Verbundnetz sichert die Trinkwasserversorgung in den Kommunen: Rheinberg, Kamp-Lintfort, Moers, Neukirchen-Vluyn, Rheurdt, Kerken, Issum, Geldern, Duisburg-Homberg/Baerl. Dort leben etwa 250.000 Einwohner. Wesentliche Basis hierfür sind die Wasserressourcen der Trinkwasserschutzgebiete des Binsheimer und Gindericher Feldes.
„Der WVN ist praktisch sowas wie die Rückversicherung unter den Versicherern: Geht einer Kommune oder einem Großunternehmen das Wasser aus, springt der WVN ein“ so Simone Spiegels vom Aktionsbündnis Niederrheinappell e.V.
„Es ist, glaube ich, deutlich geworden, wie komplex die Gesamtschau auf das Thema Wasser ist. Als WVN hat es natürlich erste Priorität, dass die Ressourcen für eine nachhaltig gesicherte Trinkwasserversorgung in unserem Gesellschaftergebiet auch unter den Aspekten Klimawandel gesichert bleiben und Schutzgebiete und Wasserreservegebiete vor potentiellen Gefährdungen geschützt werden“ führt Andreas Kaudelka, Geschäftsführer Wasserverbund Niederrhein GmbH aus.
„Es gibt verschiedene Nutzungskonflikte insbesondere zwischen Trinkwassergewinnung, Kiesabbau, Naturschutz, Landwirtschaft und Industrie. Der Abwägungsprozess muss ausgewogen erfolgen“ ergänzt Thomas Oertel, Geschäftsführer Wasserverbund Niederrhein GmbH
Genau hier setzt auch die Kritik der Bürger, Städte und Kreise an. So haben alleine im Gebiet des Regionalverband Ruhr, das für die Ausweisung von Kiesabgrabungen im Kreis Wesel zuständig ist, über 5000 Stellungnahmen zum aktuellen Planverfahren erhalten.
„Dabei birgt der zunehmende Kiesabbau am Niederrhein Risiken für die Trinkwasserversorgung, das haben wir bei unserem Treffen mit dem WVN gelernt“ sagt Spiegels. „Das gilt z.B. dann, wennschützende Bodendeckschichten freigelegt werden.“
- Es besteht die Gefahr, dass Schadstoffe aus der Luft und aus seitlichen Abflüssen aus den Hängen Schadstoffe ins Trinkwasser gelangen. Die Prozesse im Grundwasser verändern sich.
- Das nächste Risiko betrifft die Rekultivierung: Böden verändern ihre Eigenschaften. Schwefel und Stickstoff oxidieren zu Sulfat und Nitrat. Die Wiederbefüllung birgt Risiken.
- Eine weitere Herausforderung liegt in der Verdunstung von Wasser. Einige Regionen am Niederrhein können ihre Trinkwasserspeicher nur durch Regenwasser auffüllen. Das wird bei anhaltender Dürre immer schwieriger.
- Die Abgrabung von Böden und Rekultivierung als Wasserflächen hat Einfluss auf die Grundwassermenge, denn bei Baggerseen findet gar keine Grundwasserneubildung statt.
Das Ausmaß der Baggerseen am Niederrhein wird deutlich, wenn man alle bisherige, aktiven und geplanten Abgrabungen im Zusammenhang sieht.
„Es ist einmal mehr deutlich geworden, wie wichtig es ist, die Abgrabungen auf das absolut notwendige Maß zu reduzieren. Bürger und Landwirte werden froh sein, wenn die lokalen Brunnen den Bedarf decken. Die Sicherung des Grundwassers in den einzelnen Gemeinden darf nicht zusätzlich durch Kiesabgrabungen gefährdet werden. Es gilt also, die Abbaumengen auf das notwendige Minimum zu reduzieren und das bisherige Verbot von Abgrabungen in Wasserschutzzonen beizubehalten,“ denn jeder zusätzliche m² Abgrabung bedeutet ein Risiko für das Trinkwasser, zieht Spiegels Bilanz.
Wie die Parteien in den Kreisen Wesel, Kleve und Viersen sich zu dieser Problematik stellen, das hat das Aktionsbündnis Niederrheinappell e.V. in den sogenannten Wahlprüfsteinen abgefragt. Die Antworten sind unter www.niederrheinappell.de nachzulesen.
Links:
Forderungen im Niederrheinappell:
https://niederrheinappell.de/wp-content/uploads/2019/03/Aktionsbuendnis-Niederrheinappell-2019.pdf
Mitgliedsantrag Aktionsbündnis Niederrheinappell https://niederrheinappell.de/mitgliedsantrag/
So haben die Politiker auf unsere Wahlprüfsteine geantwortet: Kreis Wesel, Kreis Viersen, Kreis Kleve